Hungernde Bienen im Spätsommer

Münchner Forscher untersuchen 400 Bienenarten. Manche haben es auf dem Land besonders schwer

Der Tagesspiegel, 7. März 2019, Cincta nuta, Melitta rif/dpa

In Deutschland sind Wildbienen gefährdet. Unter ihnen sind jene Arten, die im Spätsommer auf dem Land Nahrung suchen, am stärksten betroffen. Das ergab eine Studie unter der Leitung von Susanne Renner von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Andererseits fanden die Biologen das geringste Aussterberisiko bei Bienen, die im Frühjahr fliegen und auch in Städten, vor allem Parks und Gärten, zu finden sind. Die Studie ist in den „Proceedings of the Royal Society B“ erschienen. Wildbienen sind als Blütenbestäuber ökologisch und ökonomisch sehr wichtig.

Wildbienen in Europa leben – im Gegensatz zu den Kolonien der Honigbienen – meist als Einzeltiere. Weibchen lassen sich von Männchen begatten und sorgen danach normalerweise alleine für ihren Nachwuchs. Sie legen ein Nest an, statten es mit Brutzellen aus, füllen diese mit Pollen und Nektar und legen jeweils ein Ei in eine solche Zelle. Dort entwickeln sich die Larven und verpuppen sich. Je nach Art bevorzugen die Bienen dafür Hohlräume in altem Holz, in Mauern – oder Höhlen, die sie im Boden anlegen. „Allgemein scheint die Artenvielfalt von Bienen aufgrund der intensiven Landwirtschaft und des verstärkten Einsatzes von Pestiziden, die sich beide negativ auf Nahrungsquellen und Nistmöglichkeiten auswirken, rückläufig zu sein“, wird Renner in einer Mitteilung ihrer Universität zitiert. Zusammen mit ihrem Team wollte sie herausfinden, welche Eigenschaften einzelne Arten besonders anfällig dafür machen, in manchen Regionen auszusterben.


Von den 561 in Deutschland bekannten Bienenarten untersuchten die Forscher über 400, von denen es ältere Daten gibt und deren aktueller Gefährdungsstatus in der Roten Liste zu finden ist. Demnach sind 16 Arten bereits ausgestorben und rund die Hälfte müssen einer der Gefährdungskategorien zugeordnet werden. Den Gefährdungsstatus für die einzelnen Arten konnten die Biologen über 40 Jahre verfolgen. Dann untersuchten sie mittels Computermodellen, welche artspezifischen Eigenschaften das Aussterberisiko am besten voraussagten. Dazu gehören unter an- derem der Lebensraum, die Spezialisierung auf bestimmte Pollen, die Körpergröße, die Wahl des Nistplatzes, die Dauer und der Zeitraum der Flugaktivität.

Überrascht waren die Forscher von dem Ergebnis, dass es die Gefährdung nicht erhöht, wenn die Wildbienen auf bestimmte Blüten spezialisiert sind. Allerdings steigert die Beschränkung auf einen bestimmten Lebensraum das Aussterberisiko, ebenso wie die Nahrungssuche im Spätsommer. So findet beispielsweise die Zahntrost-Sägehornbiene tricinita auf dem Land nicht mehr genügend Nahrung.

Die Gehörnte Mauerbiene Osmia cornata, die im Frühling ausfliegt, sei dagegen nicht gefährdet. Einen möglichen Grund für den jahreszeitabhängigen Unterschied nennt Renner: „Landwirtschaftlich intensiv genutzte Flächen sind im Spätsommer von Blüten ausgeräumt, während es im Frühling wenigstens noch Massenpflanzen wie Raps und blühende Obstplantagen gibt.“

Auch sind größere Bienen, dazu zählen auch die Hummeln, stärker gefährdet als kleinere. Sie brauchen mehr Nahrung und benötigen ein größeres Gebiet, in dem sie auf Nahrungssuche gehen. Insgesamt aber könnten die Bienen in Deutschland vom Klimawandel womöglich sogar profitieren: „Kürzere Winter, frühere Frühlinge und erhöhte Durchschnittstemperaturen in Mitteleuropa dürften für viele Bienenarten von Vorteil sein, da die Superfamilie Apoidea weltweit im Mittelmeerklima am artenreichsten ist“, schreiben die Forscher in ihrer Studie. Zu dieser Gruppe zählen alle Bienenarten.

Nach Einschätzung der Forscher dürften Bienen auch von jenen umweltfreundlichen Anbaumethoden profitieren, die im Volksbegehren zur Artenvielfalt („Rettet die Bienen“) in Bayern gefordert werden, beispielsweise Blühstreifen, Ackerrandstreifen mit Unkräutern oder selteneres Mähen von Wiesen. „Aber auch Hobbygärtner können Bienen helfen, indem sie auf vielfältige Hausgärten ohne Pestizide und Mähroboter setzen“, betont Renner. Mehr und verschiedene Spätblüher in Gärten wären wahrscheinlich auch sinnvoll, um gerade den besonders bedrohten, spät im Jahr aktiven Bienen zu helfen. Bei der Nist helfen angebohrte Hölzer ebenso wie unberührte, nicht umgegrabene Ecken im Garten.